„Ein Einzelzimmer, bitte.“ oder: Vom Dilemma alleinlebender Frauen

Wir haben viel erreicht. Zumindest, wenn man unsere Situation heute mit der Situation von Frauen vor 50 oder gar vor 100 Jahren vergleicht. Heute ist es normal, dass manche Frauen alleine wohnen, einen Tisch für eine Person reservieren oder sich eine Einzelkarte für die Oper oder das Konzert besorgen. Und warum auch nicht? Ehen halten meist keine 10 Jahre und Partnerschaften können sich zur echten Psychofalle entwickeln. Allein zu leben, ist für viele Frauen oft schlicht die bessere Alternative.

Dass das Lebensmodell Allein-Leben auch seine Schattenseiten haben könnte, hatte ich mir schon gedacht. Bestätigt wurde meine Vermutung, als ich einen Dübel in die Wand bohren wollte und feststellte, dass ER beim Auszug aus der gemeinsamen Wohnung die Bohrmaschine mitgenommen hat. Aber – alles kein Problem. So eine Hilti kann nie schaden, sollte man sowieso im Haus haben. Im Baumarkt erfahre ich, dass es Heimwerkerkurse für Frauen gibt. Na, wenn das kein Glück ist?

Mit meiner neuen Hilti unterm Arm und einer Platzreservierung im Nachmittagskurs: „Dübel setzten leicht gemacht – Nur für Frauen“, marschiere ich festen Schrittes nach Hause. Geht doch!

Zwei Wochen später hängt das Badezimmerschränkchen an der Wand. Stolz trete ich drei Schritte zurück und schaue mir das vollbrachte Werk an. Gut ist es geworden. Hätte ich mir gar nicht zugetraut. Kurzerhand rufe ich meine drei besten Freundinnen an. Die tauchen zwei Stunden später auf und wir machen eine Bad-Schampus-Party. Spontan, pfiffig und super lustig. Das Leben ist schön.

Meine Freundinnen änderten ihr Leben – und das meine damit gleich mit.

Etwa um meinen 30ten Geburtstag herum änderte sich mein Leben. So nach und nach hatte plötzlich jede meiner Freundinnen einen Freund. Nicht wie früher, sondern diesmal ist es „was Ernstes“. Fast über Nacht änderten sich unsere Gesprächsthemen. Es fing harmlos an mit Wohungssuche, Schwiegereltern und Hochzeitsmessenbesuch. Dann nahm „das Ernste“ an Fahrt auf und es folgten die Themen Schwangerschaftsstreifen, Übelkeit, geeignete Geburtsorte, Schreibabys, Blähungen, Durchfallfarben, Ehekonflikte, Kitaprobleme, Geschwisterthemen, neue Wohnungssuche, chronischer Schlafmangel und geeignete Bezugsquellen für Bio-Gemüse. Zudem weihten sie mich ernsthaft und fachkundig in die pädagogischen und sozial stimulierende Wirkungen von Brio, Lego und Ostheimer ein. Ich war unschlüssig, was ich mit diesem Wissen nun anfangen soll.

Da konnte ich mit meinen Themen kaum mithalten. Mal ein neuer Freund, dann wieder vorbei. Stress in der Arbeit und die Wohnung sollte ich auch mal wieder streichen. Ich machte tolle Urlaube, aber was ich erlebte, interessierte sie kaum. Spätestens an jenem Abend, als ich todunglücklich eine Freundin anrief und hoffte, dass sie mir reden würde, erkannte ich, dass die Freundschaften der jungen Jahre vorbei waren. Es täte ihr leid, aber ich müsse das verstehen. Morgen ist Kindergeburtstag und sie müsse jetzt noch 100 Luftballons aufblasen.

Der einfachste Weg wäre es wohl, ebenfalls zu heiraten, Kinder zu bekommen und in den vordefinierten Bahnen mein Leben zu leben. Dann wüsste ich, wohin ich gehöre. Alles wäre gut. Ich entschied mich dagegen.

Mittlerweile habe ich viel erreicht. Aber es gibt Dinge, von denen halte ich Abstand. Dazu gehört, mich einer normalen Reisegruppe anzuschließen. Die Probleme beginnen meist am ersten Abend. Nach dem Beziehen der Zimmer trifft man sich zum Abendessen. Ist ein längerer Aufenthalt geplant, werden Plätze zugeteilt. Damit Alleinreisende sich nicht ausgegrenzt fühlen, setzt man sie an Tische, an denen überwiegend Paare sitzen. Spätestens nach dem zweiten Glas Wein, wenn langsam ein Gespräch in Gang kommt, werden die Ehefrauen am Tisch misstrauisch. Und erstaunlich schnell müde. Sie müssten sich zurückziehen. Und der Ehegatte auch. Es gäbe noch so viel zu tun. In den kommenden Tagen lassen die Frauen ihre Männer nicht mehr aus den Augen. Zumindest nicht, wenn ich in der Nähe bin.

Ich bin gefährlich, denn ich bin lebe allein

Es alles hat nichts mit mir zu tun. Ich bin nicht besonders attraktiv und die meisten der anwesenden Ehegatten finde ich eher schrumpelig und langweilig. Aber die dazugehörigen Ehefrauen sind alarmiert, denn ich habe eine höchst gefährliche Eigenschaft: ich lebe allein.

Ich kann die Gedanken der Ehefrauen beinahe greifen: „Was, wenn er diese alleinstehend Frau interessant findet? Was, wenn er erkennt, dass er sich in der eigenen Ehe langweilt? Was, wenn er wieder damit anfängt, sich trennen zu wollen? Was, wenn er es tatsächlich täte? Bestimmt müssten wir in der Folge unser Haus verkaufen. Was für ein finanzieller Schaden! Was würden die Kinder sagen? Und die Nachbarn? Da habe ich es jahrelang mit ihm ausgehalten und dann kommt so eine und macht ihm schöne Augen. Und er könnte darauf hereinfallen und dann würde alles zusammenbrechen.“

Natürlich schmeichelt mir diese Eifersucht auch ein wenig. Aber der fahle Geschmack überwiegt. Ich ziehe mich also zurück und suche mir künftig andere Urlaubsmöglichkeiten. Ohne langjährige Paare. Aber es macht mich auch traurig. Denn der Rückzug bedeutet auch eine Limitierung meiner Möglichkeiten. Es ist ein selbstgewählter Rückzug, der schon mal mit trüben Gedanken verbunden ist. Der eine Sehnsucht offenlegt, die da ist, die immer da wahr: die Sehnsucht nach einer Person, die für mich da ist. Ein Ehemann könnte das vielleicht sein. Gewiss ist das nicht. Manche Frauen halten an ihren Kindern fest. Ich halte das für keine gute Idee. Es bleibt eigentlich nur eine Möglichkeit: Freunde!

Freunde sind Engel, die einem auf die Beine helfen, wenn man vergessen hat, wie man fliegt.

Unbekannt

Na ja, vielleicht ein wenig schmalzig, dieses Zitat. Aber es trifft schon das, wonach ich mich sehne. Mein Leben ist schön und oft fliege ich hoch und freue mich an meiner Freiheit. Aber manchmal sitze ich auch auf dem dunklen Boden und habe irgendwie vergessen, wie man fliegt.

Ich weiß, dass es vielen alleinlebenden Frauen so geht wir mir. Und ich weiß auch, dass es mit zunehmendem Alter schwieriger wird, zufällig auf Menschen zu treffen, auf die wir uns einlassen können und wollen. Deshalb habe ich MUNDITIA gegründet. Ein Netzwerk von Frauen, die die Absicht haben, langfristige Freundschaften entstehen zu lassen. Freundschaften, die im Idealfall sogar bis zum Lebensende tragen.

Ich habe mich bereits auf den Weg gemacht, um diese Frauen zu finden und in Kontakt zu bringen. Es scheint ein guter Gedanken zu sein. Denn meine Flügel breiten sich aus und ich spüre schon den Wind, der mich tragen wird.

2 Kommentare

  1. genauso geht es mir auch oft – insbesondere wenn man sich nett mit gleichaltrigen Ehepaaren unterhält und eigentlich eine ganze Nacht durchquatschen möchte – weil es so nett und lustig ist. Aber nein – bald löst sich das kleine Grüppchen auf, wahrscheinlich aus den genannten Gründen von dir. Das ist mir auch schon so gegangen, dann sitzt man also dann abends wieder allein da und genießt für sich den Abend und ggf. die Musik oder das Rauschen der Wellen.

  2. Kann ich gut nachempfinden, was Du schreibst, denn so ähnlich habe ich es auch immer erlebt. Irgendwann habe ich dann angefangen, nicht mehr auf meinen „Prinzen“ für schöne Urlaube zu warten und bin einfach alleine gefahren. Wobei – so einfach war es dann doch nicht immer, gerade in so „patriarchalen“ Gesellschaften wie in Mexiko oder Indien.
    Nach einer Weile findet man da so seine Wege, die von Dir beschriebenen Situationen zu umgehen: Auf Tauchurlauben wird man ohnehin mit jemandem zusammengewürfelt (weil man immer nur paarweise tauchen geht), in Klöstern oder auf Schweigeretreats fällt das Alleinesein auch kaum auf oder auf dem Jakobsweg – dahin fährt man eh, um sich selbst zu finden.
    Aber letztendlich kann man, wenn es blöd läuft, selbst in einer Beziehung einsamer sein als als Solo-Frau – zumindest wenn man nicht im Reinen mit sich selbst ist. Insofern: Beziehung fängt bei sich selbst an – für mich die lohnendste Erkenntnis überhaupt.

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