Freundschaft – ein Begriff mit langer, männlicher Geschichte.

Kaum ein anderer Begriff scheint so eindeutig und ist doch so vielfältig wieder der der Freundschaft. Je genauer wir hinschauen und je weiter sich die Betrachtungskreise ziehen, desto vielfältiger und erstaunlicher ist, was Menschen darunter verstanden oder heute verstehen.

Freundschaft – Männersache?

Einer der ältesten Berichte von tiefer Freundschaft handelt von den Männern Gilgamesch und Enkidu (Gilgamesch Epos, ca. 2000 v. Chr.). Auch die Bibel enthält Erzählungen von Männern wie David und Jonathan (1 Sam, 18-20). Aus der griechischen Geschichte kennen wir die Freunde Achilles und Patroklos, Orest und Pylades oder Theseus und Peirithoos. Zahlreiche Autoren wie Euripides, Homer oder Aristoteles machten sich Gedanken über das Wesen der Freundschaft. Von gegenseitiger Seelenöffnung bis hin zu Treue bis in den Tod ist alles vorhanden.

Das Mittelalter setzt diese Denktradition fort und stellt sie in den Kontext christlicher Theologie.

Wieder werden Männerfreundschaften gerühmt und in Liedern besungen. So wie die von Roland und Olivier (Rolandslied ca. 1100 n.Chr). Soldatentreue und die Treue zu Gott stehen im Vordergrund. Der Aspekt der „Treue bis in den Tod“ ist ein Ideal, welches vor allem die Vorstellungen von Freundschaft im adeligen Milieu prägt, für die verlässliche militärische Bündnisse von entscheidender Bedeutung sind.
Philosophische Betrachtungen werden eher von Klerikern erarbeitet. So verfasst im 12. Jhdt. der Abt Aelred von Rieval eine Schrift mit dem Titel: „De spirituali amicitia“. Er greift den Gedanken Aristoteles auf und unterscheidet drei Formen von Freundschaft. Die niedrigste Form der Freundschaft, die „fleischliche Freundschaft“, ist auf Vergnügen und gemeinsamen Genuss ausgerichtet. Die „weltliche Freundschaft“ geht darüber hinaus und beinhaltet gegenseitigen Nutzen. Das höchste Form aber ist die „geistliche Freundschaft“, in eine gemeinsame Freundschaft beider Freunde mit Christus gipfelt.

Ab der Renaissance schreiben auch Laien über Freundschaft.

Hier ist als Beispiel Michel de Montaignes (1533-1592) zu nennen, der mit seinem „Essay über die Freundschaft“ intensiven Einfluss auf spätere Epochen ausübt. Für ihn steht nicht mehr der Zweck im Vordergrund: „zwei Seelen, die füreinander bestimmt sind, finden einander!“
Aber auch die Hofmannstraktate wie z.B. Baldassare Castiliones „Il Cortegiano“ spielen eine Rolle. Diese geben Anleitungen, wie ein Adliger am Hof zu einem erfolgreichen Höfling werden kann. Auch eine Form von Freundschaft?

Da fehlt doch was! Wo sind die Frauen?

„Echte Freundschaft wird in der abendländischen Tradition als Männerfreundschaft gedacht, und zwar ist das vielen Denkern so selbstverständlich, dass es gar nicht eigens ausgesprochen werden muss“, so der Soziologe Christian Kühner. Auch in der Romantik werden idealisierte Freundschaften für gewöhnlich nur zwischen zwei Männern für möglich gehalten. Beispiele für diese empfindsame Freundschaft sind im Briefwechsel zwischen Ludwig Gleim (1719-1803) und Johann Georg Jacobi (1740-1814)nachzulesen. „Beide Freunde erhöhen sich gegenseitig, indem sie sich gegenseitig geistig-seelisch bereichern“ so Friedrich Schleiermacher.

Und die Geschichte von Frauenfreundschaften?

Die Beschäftigung mit Freundschaft hat im Westen eine lange Tradition. In vielen Abhandlungen wurde und wird versucht, dem Wesen der Freundschaft auf die Spur zu kommen, zwischen echten und falschen Freunden zu unterscheiden und Pflichten, die Freunde füreinander haben, zu definieren. Doch die überwiegende Mehrheit dieser Texte stammt von Männern und ist für Männer geschrieben. Und nicht nur das. Es sind nicht generell alle Männer gemeint. Es handelt sich ausschließlich um Betrachtungen von Männern, die einer militärischen, geistigen oder intellektuellen Elite angehören.

Der Fehler in der Betrachtung scheint mir auch im Suchbegriff zu liegen. Frauen lebten und leben Freundschaft und Solidarität eher in Gemeinschaften. Somit mag der Begriff „Freundschaft“ auch nicht passgenau anzuwenden sein, wenn es um wichtige soziale Beziehungen jenseits familiärer Strukturen geht. Es geht nicht um Militärbündnisse. Dennoch geht es um verlässlichen Beistand, auch in schwierigen Zeiten. Um Unterstützung bei Geburt, Krankheit und Tod, sowie den vielen alltäglichen Herausforderungen. Um Themen also, die die ganze Familie oder die dörfliche Gemeinschaft betreffen.
Nicht „Großes“, nichts „Kriegsentscheidendes“. Und doch die Basis für alles andere.

Wir haben die Freiheit, unsere Form von Freundschaft neu zu erfinden.

Es könnte spannend sein zu überlegen, an welcher Stelle wir „männliches“ Freundschaftdenken übernommen haben. Vielleicht finden wir einiges hilfreich und wollen es behalten? Vielleicht aber ist diese Form nicht für uns Frauen geeignet. Vielleicht sind 2-er Beziehungen wirklich mehr für Männer, die sich im Krieg aufeinander verlassen können mussten. Und vielleicht ist die weibliche Form des Miteinanders das der Gruppe von Frauen.

In der FEMALE COMMUNITY sind wir dieser Form der freien Frauen-Freundschaft auf der Spur!

Inspiration:
Freundschaft heute – Eine Einführung in die Freundschaftssoziologie„, 2016, J. Schobin et al., transcript-Verlag

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