Einsamkeitsprävention geht – Resonanz kommt

Was heißt denn eigentlich das Gegenteil von Einsamkeit?

Seit Jahren spreche ich über Einsamkeit. Beinahe ebenso lange werde ich gefragt, was denn eigentlich das Gegenteil von Einsamkeit sei. Denn, so die Überlegung, wenn wir diese Antwort kennen, dann könnte doch der Weg aus der Einsamkeit ganz einfach sein. Wenn Hunger das Problem und der gewünschte Zustand Satt-sein ist, dann ist Essen die Lösung. Also, sag schon: Wie lautet das Gegenteil?

Leider musste ich bisher eine zufriedenstellende Antwort schuldig bleiben. Ich kenne kein Wort, welches den Zustand der Nicht-Einsamkeit gut und umfassend beschreiben würde. Wir können uns diesem Zustand allenfalls mit umschreibenden Begriffen annähern. Aber egal, ob wir es mit „Gemeinschaft“, „Nähe“, „soziale Sicherheit“ oder „Zugehörigkeit“ versuchen, es bleibt immer ein Näherungswert, eine unfertige Skizze, eine Beschreibung, die notwendigerweise viele weitere Eigenschaften eines einsamkeitslosen Zustands nicht umfasst.

Wir müssen also ein wenig tiefer graben: Was haben Menschen, die nicht einsam sind?

Die Antwort besteht erst einmal aus einer Sammlung unzusammenhängenden Begriffen. Nicht einsame Menschen erzählen von Freunden, Familie, erfüllenden Aufgaben, tiefgehenden Naturerlebnissen, Spaß mit Kindern, religiöse Heimat, gemeinsames Singen und Tanzen, freudvolle Beziehungen zwischen Enkeln und Großeltern, Zeit um Marmelade einzukochen oder Witze zu erzählen, Ausflüge mit dem Verein, dem man seit Jahrzehnten angehört oder einfach den Garten winterfest machen.

Man könnte sagen, diese Menschen sind ständig im Austausch: Mit ihren Mitmenschen, mit der sie umgebenden Natur und vielleicht sogar mit etwas Höherem. Um hier mit Prof. Dr. Hartmut Rosa zu sprechen: sie haben offensichtlich Resonanzachsen, über welche eine Begegnung mit anderen möglich ist.

Eine Resonanzachse, so Rosa, ist eine Beziehungsform.

Eine der Voraussetzungen für Resonanz ist echtes Interesse am Gegenüber. Immer mit der Option, dass der andere etwas sagt oder tut, was mich berührt, mich in Erstaunen versetzt, vielleicht auch irritiert. Und doch schafft es Verbindung und Veränderung. Nach einer echten Begegnung werden wir beide nicht mehr die selben sein, die wir vor dem Gespräch oder dem Austausch waren. Bei einsamen Menschen haben sich die Zugänge zu ihren Resonanzachsen geschlossen.

Einsamkeitsprävention besteht also darin, diese Resonanzwege wieder zu öffnen.

In der Female Community steht der zwischenmenschliche Resonanzweg im Vordergrund. Die Netzwerkstruktur ist so beschaffen, dass es einfach ist, eine andere Frau am Telefon zu hören, über zoom zu sehen oder sie auch ganz einfach auf eine Tasse Kaffee zu treffen. Was jetzt passiert, ist etwas Wunderbares: Die Frauen sind wirklich daran interessiert, die jeweils andere kennen zu lernen. Das bringt große Offenheit mit sich. Es gilt herauszufinden: „Was ist es, das uns verbindet? Was haben wir gemeinsam?“

Die Offenheit und das echte Interesse an der anderen ist der Schlüssel zum Glück

Jetzt gilt es, diesen Kanal offen zu halten. Was ihn unpassierbar machen würde, wären Bewertungen, abfällige Kommentare oder gar Beschimpfungen, Vorwürfe oder Schlimmeres. Das hätte ein Schließen des Kanals zur Folge. Ich muss mich also entscheiden: Will ich recht haben und vielleicht wieder in die Einsamkeit zurückfallen? Oder will ich lernen mit meinem Ärger umzugehen und neue Wege der Kommunikation finden?

Kann ich kontrollieren, was passiert?

Nein. Ich muss mich auf etwas einlassen, dessen Entwicklung ich nicht kenne. „Unverfügbarkeit“ nennt Rosa das. Das Andere – bei uns in der Female Community die andere Frau – wird möglicherweise völlig anders agieren, als ich es mit vorgestellt habe. Doch genau das ist es, was unsere Begegnungen so wertvoll, so einzigartig und so enorm bereichernd sein lässt.

Quelle: Rosa, H. (2023) Resonanz, Eine Soziologie der Weltbeziehung, (7. Auflage) suhrkamp Verlag Berlin



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