Die heilsame Kraft der Zugehörigkeit

Lachende Menschen, die gemeinsam an einem großen Tisch sitzen. Essend, trinkend, erzählend und in einem angeregten Austausch miteinander.

Wie glücklich sind die, die dazugehören.

Dieses Bild trifft umgehend auf eine unserer tiefsten Sehnsüchte. Werbestrategen wissen dies längst. Ort und Zeit sind dabei zweitrangig. Egal ob Ostern im Garten, Weihnachten in einer von Kerzen erleuchteten Wohnung oder Sommer am See. Da streicht sich eine glückliche Familie Margarine aufs Brot, Jugendliche feiern ausgelassen am Strand mit Rum aus der Südsee, oder eine italienische Großfamilie sitzt Abends in einem malerischen Weinberg. Nur die kurze Einblendung des Werbeslogans des italienischen Tourismusbüros kurz vor Ende des Spots weißt auf eine konstruierte heile Welt hin. Doch da ist es schon zu spät. Das Bild hat sich in unserem Gehirn eingenistet, die Sehnsucht ist geweckt. Und vielleicht auch der Schmerz, dass es im eigenen Leben anders aussieht.

Wir tragen eine tiefe Sehnsucht in uns, ebenfalls ein geschätztes Mitglieder einer Gruppe zu sein.

Wir können uns gegen diese Reaktion kaum wehren. Die Ursachen dafür finden sich in unserer Biologie. Über Jahrhunderttausende war ein Überleben nur gemeinsam möglich. Das führte dazu, dass Zusammenhalt, Fairness und Kooperation tief in unserem Gehirnen als erstrebenswerte Ziele verankert sind. Sozial gut vernetzte Individuen hatten zu allen Zeiten die besten Überlebenschancen. Erst vor ca. 30 Jahren entdeckten Neurowissenschaftler ein Nervenzellsystem, welches sie aufgrund seiner bemerkenswerten Funktion als „Motivationssystem“ bezeichneten.

Diese besondere Struktur im Gehirn hat die faszinierende Aufgabe Verhalten, welches unserem Überleben zuträglich ist – also gelingende Interaktion in einer Gruppe – durch Belohnung zu verstärken. Wenn wir uns also hilfsbereit und fair verhalten, wenn wir uns um andere kümmern und uns für die Gruppe einsetzen, dann werden die Wohlfühlbotenstoffe Dopamin, Opioide und Oxytozin ausgeschüttet. Und – wir sind glücklich!!

Heute wissen wir, dass wir uns ohne diesen körpereigenen Glückscocktail nicht nur nicht wohl fühlen sondern auf Dauer auch nicht überleben könnten. Ja, wir sind regelrecht süchtig danach. Die deutlich verkürzte Lebenserwartung chronisch einsamer und isolierter Menschen unterstreicht dies auf erschütternde Weise.

Wie also kommen wir an diese Botenstoffe, die uns das Leben schöner machen und die wir auch noch in uns tragen?

Es hilft, uns zu fragen, welches Gefühl, welchen Zustand wir erreichen müssen, damit dieser Zauber entstehen kann. Die Antwort: wir müssen uns zu-gehörig fühlen.

Zugehörigkeit ist mehr als gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Es unterscheidet sich auch von kurzem gemeinsamem Lachen über Witze oder originelle Einfälle. Wenn sie fehlt, dann fühlt es sich schaal und irgendwie leer an, sich mit anderen über beliebige Themen auszutauschen. Gerade auf Partys (eigentlich Orte des Vergnügens) oder offiziellen Anlässen kann deshalb das Erleben von Einsamkeit und Ausgegrenzt-sein besonders groß sein.

Was wir anstreben sollten, ist Zugehörigkeit.

„Ich gehöre dazu!“, ist der Gedanke, der uns Sicherheit gibt. Sicher zu wissen, wer meine Familie, mein Verein, meine Partei, mein tribe ist, erzeugt ein wohltuendes Gefühl. Doch was, wenn man eine solche Gruppe nicht hat? Doch um Zu-gehörigkeit zu finden, müssen wir das tun, was das Wort beschreibt: zu-hören!

Schön ist es, eine Gruppe zu finden, mit der man sich eine längere Gemeinschaft vorstellen kann. Und dann geht es im wahrsten Sinne des Wortes darum, zu zu hören.

Sich auf auf die anderen einzulassen, sich zu öffnen.

Nur so entwickeln wir auf einer intellektuellen Ebene ein Verständnis für die jeweiligen Argumente und Standpunkte. Auf einer emotionalen Ebene erleben wir aufgrund empathischen Erlebens, welche Gefühle die anderen Gruppenmitglieder bewegen und auf einer gruppenbildenden Ebene werden wir uns nach und nach in kleinen Schritten verändern und an die Gruppe anpassen.

Zugehörigkeit lässt sich entwickeln

Das Gefühl der Zugehörigkeit können wir nicht kaufen. Wir erreichen es auch nicht, indem wir andere mit unsere Meinung überfluten. Wir haben keine Macht über das, was sich entwickelt. Hartmut Rosa nennt das: „Unverfügbarkeit“. Doch genau das ist der Weg: Uns aufeinander einlassen, die eigene Befindlichkeit für kurze Zeit hinten an stellen, mich auf die Welt des anderen einlassen.
Das sind die ersten Schritt hin zu einem Verhalten, welches unser Gehirn reichlich mit dem belohnt, was wir so sehr lieben: Die körpereigene Wohlfühlapotheke aus Dopamin, Opioiden und Oxytozin wird geöffnet.

DAS LEBEN IST SCHÖN!

Inspiration:
Bauer, J. „Schmerzgrenze. Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt“, Blessing Verlag, 2011

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